Erleuchtung des Lichts
Geboren im Aargau, als Student in Zürich, berufstätig in Basel und in seinen letzten Lebensjahren auf der Rittimatte im Jura, verbrachte er sein ganzes Leben und Wirken in der Schweiz, das von 1906 bis 2008 immerhin 102 Jahre zählte. Auf die Frage, wie Hofmann es geschafft hatte, so alt zu werden und selbst im hohen Alter noch gesund und aktiv zu sein (ob er als Chemiker wohl irgendein Wundermittel dazu hatte?), antwortete er einmal, dass er sich bis zum Lebensende eine gewisse Offenheit für die Welt und für sich selbst bewahrt hatte. Gerade im letzten Viertel seines Lebens hielt Hofmann viele Vorträge und Interviews zu seinem körperlich und seelisch gesunden Leben, das bei ihm schon in der Kindheit sehr prägend war, aber erst durch seine späteren Lebenserfahrungen entschieden begründet wurde.
Hofmann war Zeit seines Lebens Bewunderer des alemannischen Arztes Theophrastus Bombastus Paracelsus von Hohenheim, der im 16. Jahrhundert einen wichtigen Pionier der heutigen Schulmedizin darstellte, auch wenn Paracelsus selbst in seinem Weltbild und seinen Lehren weit davon entfernt war, was die heutige (chemisch-materialistische) Schulmedizin ausmacht. Paracelsus war einer der sogenannten „Theosophen“ der Frühen Neuzeit, für die Naturwissenschaft in erster Linie einen Dienst an der Erkenntnis von Gottes Herrlichkeit in der Schöpfung bedeutete (Im Gegensatz dazu entwickelten die späteren Theosophen der Romantik, die unter anderem wichtige Lehrer des Anthroposophen Rudolf Steiner, leider aber auch einiger Nazis waren, besondere esoterische Lehren). Diese Ansicht vertrat auch Hofmann, dessen Staunen über die Schöpfung und die Natur dazu geführt hatte, als Biochemiker die Wirkstoffe von Pflanzen zu erforschen und zur Heilung von Menschen zu verwenden.
Maßgeblich war bei Paracelsus die heidnisch-naturreligiöse Lehre, dass die Schöpfung wie ein Buch ist, in dem man – wenn man darin denn richtig liest – den Schöpfer selbst erkennen kann. Von dieser Ansicht hebt sich übrigens die Lehre der Religionen Abrahams ab, die besagen, dass sich Gott nicht nur durch die Schöpfung, sondern auch ein Gesetz (die Tauroh des Judentums), eine Rezitation (den Koran des Islams) oder einen Menschen (den Jesus des Christentums) in seiner vollkommenen Weise und auf einem viel besseren Weg erkennen lässt.
Viele Religionen sprechen von der „Erleuchtung“ oder dem „Licht“ als Symbol des Göttlichen.
Diese Ansicht vertrat Albert Hofmann auch naturwissenschaftlich, da Licht die Ausdrucksform kosmischer Energie ist, die Leben erschafft und ermöglicht. Im Klartext: Licht verdichtet sich zu Materie, zuerst zu den hellen Sonnen und Sternen, dann zu festen Planeten wie der Erde, auf der die Pflanzen dann durch die Aufnahme von weiterem Sonnenlicht als lebendige Wesen wachsen. Auch die meisten Tiere benötigen dieses Licht (die Pilze als Schmarotzer in der dunklen Erde zählen allerdings nicht dazu, benötigen aber Nahrung durch die „Lichtwesen“).
Licht ist aber nicht nur für das Leben selbst, sondern auch für die Kommunikation mit Schöpfer und Schöpfung wichtig.
Doch wie ist das zu verstehen?
Ein weiterer Mensch, dessen Philosophie Hofmanns Denken ganz maßgeblich beeinflusste, war der britische Druide William Blake, von dem das berühmte Zitat über die „Tore der Wahrnehmung“ stammt:
„If the doors of perception were cleansed, everything would appear to man as it is, infinite.“
Zu deutsch: „Wenn die Pforten der Wahrnehmung gereinigt würden, erschiene alles dem Menschen, wie es ist – grenzenlos.“
Mit diesen Toren bzw. Pforten sind die fünf klassischen Sinne des Menschen gemeint: Das Hören, das Sehen, das Riechen, das Schmecken, das Tasten. Nach Albert Hofmann verbinden diese Sinne die „spirituelle Welt“ mit der „materiellen Welt“. Hierbei ordnet Hofmann die Sinne verschiedenen Zugängen dieser Welten zu:
- – Schmecken, Riechen, Tasten: Sinne der materiellen Welt zur Befriedigung körperlicher und überlebensnotwendiger Bedürfnisse.
- – Sehen, Hören: Sinne der spirituellen Welt zum mystischen Erkennen und Erleben der Schöpfung.
- Sehen und Hören sind also die entscheidenden Sinne. Sie sind dem Erleben wichtig, nicht dem Besitzen (Hofmann: „Um Sehen und Hören sind noch nie Kriege geführt worden“). Eine alemannische Weisheit, die dafür in einfachen Worten ausgedrückt wird, fand Hofmann dafür am Stadttor von Schaffhausen: „Lappi tue d‘Augen uf“ ( zu hochdeutsch: Tolpatsch, mach deine Augen auf. Lappi/Tollpatsch bezeichnet eine unachtsame Person, kann aber auch als „Narr“ übersetzt werden, da der Narr auch ein Mensch ist, der am wahren Wert des Lebens vorbei lebt).
Mit (spirituell) offenen Herzen und Augen erlebt man das Licht der sichtbaren Erscheinungen also als eine immerwährende Kommunikation Gottes mit dem Menschen. Es ist, was das bekannte Fahrtenlied „Roter Mond“ ausdrückt, wenn es heißt: „Dieses Land ist wild und schön, und wir dürfen seine Herrlichkeit sehn“ – ein einziges Erleben wird zum unmittelbaren Erfahren der göttlichen Gnade. Und das gilt natürlich auch für alle anderen Sinne, mit denen man die Welt auf diese Weise erlebt. Alles, was das Auge (in diesem Lied im Wiederhall des Mondlichts) sieht, ist ein Wiederhall der Sonne, die ihrerseits ja ein Wiederhall Gottes ist – das Wort „Wiederhall“ spielt hier bewusst darauf an, dass optisches Sehen in der Kommunkation mit der Umwelt natürlich nicht alles ist. Kontemplatives Erleben im Ausgleich der Sinne (bis hin zur Synästhesie als Verschmelzung von Sinneseindrücken) ist deswegen nicht nur entscheidend für Gelassenheit und Alltagsbewältigung, sondern auch für spontanes, letztendlich bedingungsloses Glück. Ich lade jeden Menschen, jedes Geschöpf dazu ein.
Literaturtipp: Albert Hofmann, Naturwissenschaft & mystische Welterfahrung. Eine Volkspredigt. Grüne Kraft, Löhrbach 1992, ISBN 3-925817-50-6.
Bildquelle: https://medium.com/sant-mat-meditation-and-spirituality/divine-light-appearing-in-the-darkness-two-great-prayers-from-2nd-allogenes-a-gnostic-79df970aa1a3