Eine 30.000 Jahre alte Frauenfigur aus Wien
Im Naturkundlichen Museum von Wien ist eine der Attraktionen die Venus von Willendorf. Sie ist eine 1908 entdeckte, rund 11 cm große und knapp 30.000 Jahre alte Frauenfigurine aus dem Jungpaläolithikum, dem letzten Drittel der Altsteinzeit. Obwohl sie überraschend klein ist, kann ich mich ihrer Faszination nicht ganz entziehen. Sie wurde mit viel Liebe zum Detail bearbeitet.
Ähnliche Frauenstatuetten aus unterschiedlichen Materialien wurden in ganz Europa gefunden. Es sind über 200 Exemplare bekannt. So die Venus von Dolní Věstonice, die Venus von Moravany, Venus vom Hohle Fels, Venus von Mauern. Das Aussehen ist bei allen sehr ähnlich. Brust und Gesäß sind stark betont und füllig, während Arme und Beine verkürzt dargestellt sind. Die Schamlippen sind gut zu erkennen. Das Gesicht ist nur angedeutet. Die weite Verbreitung zeigt, dass die Menschen dieser Zeit ähnliche Vorstellungen hatten. Der Homo Sapiens ist während der Altsteinzeit nach Europa eingewandert. Es ist die Zeit der Jäger und Sammler und jetzt, gegen Ende der Altsteinzeit, ist Mutter Erde großzügig. Die Menschen sollen durchschnittlich drei Stunden täglich benötigt haben, um alles Lebensnotwendige zu sammeln und zu jagen. So hatten sie viel Zeit, um sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Es ist die Zeit der Höhlenmalerei und der ersten Flöten, die, genau wie der Löwenmensch, in der Schwäbischen Alb gefunden wurden.
Die Bedeutung der Figurinen für die Menschen der Altsteinzeit ist unbekannt. Aber für mich sind sie die Darstellung der großen Göttin, der archaischen Muttergöttin. Ich betone für mich, denn die Deutung „Göttin“ ist umstritten unter den Archäologen. Manche werten sie als Zeichen von Kraft und Aggression oder Medium des sozialen Gedächtnisses“* In der Archäologie und Religionsgeschichte werden als “Große Mutter“ Erdgöttinnen in ur- und frühgeschichtlichen Kulturen bezeichnet. Sie wurden als Lebensspenderin verehrt und sind so zuständig für die Fruchtbarkeit der Pflanzen und Tiere und damit entscheidend für das Wohlergehen der Menschen. Oft wurden sie auch als die Mutter der Götter verehrt.“ Dabei geht man von einer einheitlichen, religiösen Vorstellung während der Spätphase des Jungpaläolithikums aus.
Was haben diese Figurinen mit den Kelten zu tun? Schließlich sind fast 27 000 Jahre dazwischen, da können sich spirituelle Vorstellungen schon mal verändern. Und tatsächlich waren diese Frauenfigurinen seit ca. 20000 v.u.Z. verschwunden. Und doch tritt uns mit der Göttin Danu eine alte Muttergöttin, mit großem Verbreitungsgebiet, entgegen. Sie wurde im Orient und in Europa verehrt. Andere Namen für sie waren: Dana. Ana, Aine, Anu (manchmal heißt es auch, dass die irische Anu die Mutter von Danu ist). Auf Kreta wurde sie als Danae, die Göttin des Ackerbaus verehrt. In Wales als Don, die mit dem Sonnengott Beli verheiratet ist und deren Tochter die Schicksalsgöttin Arianrhod ist. Bei den Römern wurde sie auf Diana, die Göttin der Jagd und der Geburtshilfe reduziert. Der Name soll „das Wasser dort oben“ bedeuten, die Silbe „An“ so viel wie Quelle, Wasser und auch Himmel. Die Silbe „An(a) ist im gesamten Indogermanischen Sprachraum mit dem Begriff Mutter verknüpft. Obwohl mich persönlich immer noch irritiert, dass die einzige mir bekannte Sprache, in der das Wort „Anne“ tatsächlich als Mutter gebraucht wird, türkisch ist und damit nicht zu den indoeuropäischen Sprachen gerechnet wird.
Danu gilt als die Mutter aller: Ahnherrin der ersten Generation der Götter Irlands der „Tuatha dè Danann“ was übersetzt so viel bedeutet wie „das Volk der Göttin Danu“. Unter anderem, ist der
große Dagda ihr Sohn. In der Griechischen Mythologie bestürmen die Danaer Troja, die sich ebenfalls als von Danae abstammend bezeichnen.
Somit ist sie die Urgöttin, die große Göttin und Mutter aller Götter und Menschen. Sie ist Erdmutter und gleichzeitig Wassergöttin und symbolisiert die Landschaftsgöttin, die Sovereignty. Danu ist Mutter- und gleichzeitig Schutzgöttin, eine verlässliche Kraft, auf die man bauen kann. Sie spendet als Erd- und Flussgöttin Fruchtbarkeit und Nahrung und gibt den Menschen Lebensraum.
Von ihr kommt das Leben, und sie nimmt es nach einer gewissen Zeit wieder zurück. Sie ist die Ahnfrau der Familie und der Schoß, in dem die Toten Aufnahme finden.
Ihr Name steckt vermutlich noch in vielen Flüssen wie Don, Rhóne, Dnjepr, Jordan, Donez und in Dänemark. Auch der Name Donau bezieht sich auf die Göttin Danu. Sie repräsentiert nicht nur den Fluss, sondern auch die fruchtbaren Flusslandschaften.
Vermutlich entwickelten sich aus dieser zentralen, allumfassenden Göttin im Laufe der Zeit alle anderen weiblichen Gottheiten.
Als Muttergöttin ist sie mit dem Archetyp der Mutter verbunden. Die in unserem Unbewussten abgespeicherte Vorstellung einer gebärenden, Schutz gewährenden Frau. Bei diesem Urbild denken wir an Güte, Fruchtbarkeit, eine Nahrung spendende und behütende Mutter. Damit verbunden ist ihre Weisheit eine emotionale Intelligenz.
Wir alle haben diesen Archetyp der Mutter in uns gespeichert und haben damit eine Vorstellung davon, wie eine Mutter zu sein hat! Daraus resultieren viele Selbstzweifel für die realen Mütter, die an diesem hohen Anspruch nur scheitern können.
Im Märchen Aschenputtel wird das sehr schön gezeigt. Das Mädchen besucht das Grab ihrer verstorbenen Mutter. Diese ist stets die liebevolle, freundliche und helfende Mutter. So wie eine Mutter eben sein sollte. Doch sie ist nicht von dieser Welt.
Im Gegensatz dazu gibt es die Stiefmutter, die Böse. Sie ist die Mutter, die in dieser Welt lebt. Die erziehen muss, die manche Wünsche des Kindes verweigert oder sogar mal bestraft. Dadurch grenzt sie die Welt des Kindes ein. Das Kind empfindet dies als Willkür und ungerecht.
Wir alle haben gelernt zu spalten und wir alle bewerten gleichzeitig: dies ist die ideale Mutter, die andere kann nur die Stiefmutter sein.
Auch Ceridwen, in dem uns allen bekannten Mythos, zeigt diesen dunklen Aspekt der Göttin.
Obwohl Gwion mit den 3 Tropfen alle Weisheit zu sich genommen hatte und wahrhaft inspiriert wurde, überwog seine Angst vor der wilden, zornigen Göttin, die Jagd auf ihn machte. Der Junge Gwion empfand ihr Verhalten sicherlich als ungerecht und bedrohlich.
Doch die Göttin selbst wusste, dass es alle diese Transformationen brauchte, damit er überhaupt zu Taliesin werden konnte.
Und so steht der Archetyp der Mutter auch für Verborgenes, Finsteres, Abgründe und die unentrinnbare Totenwelt. Womit wir wieder bei der „Großen Mutter“ der Göttin in ihrer Ganzheit als Herrin über Licht und Dunkelheit angekommen sind.
Selbst in der christlichen Religion, die unsere Kultur fast 2000 Jahre prägte, hat sich die große Muttergöttin durch die Hintertür wieder eingeschlichen. In der Bibel gibt es keinen Hinweis auf Anna, die Mutter Marias. Aber um 550 wurde durch Kaiser Justinian eine erste, der Anna geweihten Kirche, in Byzanz errichtet.** Und was für eine Erfolgstory: St Anna Kirchen oder Kapellen sind überall verbreitet. In der Kunst ist die Darstellung der Annaselbstdritt, und damit die weibliche Ahnenlinie Jesus beliebt im späten Mittelalter. Annaselbstdritt ist in der christlichen Ikonographie eine Darstellung der heiligen Anna mit ihrer Tochter Maria und dem Jesuskind. Der Ausdruck selbdritt ist ein altes Wort für „zu dritt“. Gleichzeitig gab es gerade im Mittelalter einen ausgeprägten Annenkult. Noch heute ist der Vorname Anna sehr beliebt. St. Anna ist die Patronin von einigen Städten, der Mütter und der Ehe, der Hausfrauen, Hausangestellten, Ammen, Witwen, Armen, Arbeiterinnen, Bergleute, Weber, Schneider, Strumpfwirker, Spitzenklöppler, Knechte, Müller, Krämer, Schiffer, Seiler, Tischler, Drechsler, Goldschmiede; der Bergwerke; für eine glückliche Heirat, für Kindersegen und glückliche Geburt, für Reichtum und Wiederauffinden verlorener Sachen und Regen; gegen Gicht, Fieber, Kopf-, Brust- und Bauchschmerzen, Gewitter.**
Ich finde es schön, mir vorzustellen, dass, wenn ich Danu ehre, ich mich gleichzeitig mit einer Göttin aus den Urzeiten der Menschheit verbinde. Wenn du das tun möchtest, solltest du eher eine archaische Räucherung mit Wacholder oder Kiefer verbrennen, indem aber ein Hauch weiblicher Sinnlichkeit (Scharfgabe, Rose) nicht fehlt.
Wenn du Danu begegnen willst:
• Setze dich mit der Mutter auseinander. Was für ein Bild von Mutter hast du?
• Meditiere über die Tarotkarte der Herrscherin
• Ehre bewusst ihre Gaben. Genieße den ersten Bissen deiner Mahlzeit mit all deinen Sinnen.
*https://de.wikipedia.org/wiki/Muttergoettin